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Studieren in der Selbstisolation

 

Die derzeitige Situation rund um die Ausgangbeschränkung und das Corona-Virus ist für alle ungewohnt und fremd. Das heißt, dass es wichtig ist, Geduld mit sich selbst zu haben: Es ist ok, noch nicht zu wissen, wie man in Anbetracht der Ausgangsbeschränkung seinen Tag strukturiert, es ist in Ordnung, dass die Gefühle abwechselnd in verschiedene Richtungen gehen und man eventuell einen halben Tag oder mehr „versäumt“ hat, ohne die gesetzten Ziele zu erreichen. Wichtig ist nur, regelmäßig eine Art von Bilanz zu ziehen und sich zu fragen, wie man den nächsten Tag anders/besser gestalten könnte. Die folgenden Anregungen können dabei helfen.

 

Bewährte Fähigkeiten helfen neue Situationen zu meistern

Im Gegensatz zu vielen anderen Bevölkerungsgruppen haben Studierende Erfahrung im Umgang mit fehlenden Tagesstrukturen und können auf viele Fähigkeiten der Selbstorganisation zurückgreifen. 

Nutzen Sie Ihre vorhandenen Ressourcen und stellen Sie sich folgende Fragen: „Was hat bisher gut funktioniert? Welche Aktivitäten helfen mir, mich zu entspannen? Welche herausfordernden Situationen habe ich bisher bereits gemeistert und welche meiner Fähigkeiten waren dabei hilfreich? Zu welcher Tageszeit lerne ich am besten? Wie viele Stunden kann ich täglich konzentriert arbeiten? Lerne ich lieber alleine oder in Gruppen? Wie kann ich virtuelle Lerngruppen ins Leben rufen und umsetzen? Wie kann ich mich am besten motivieren? Was hat mir bisher geholfen, um zwischendurch gut abzuschalten? Welche Tipps würde ich meinen Kolleg*innen geben, wenn diese alleine zu Hause sitzen und Schwierigkeiten mit der Selbstorganisation haben? Was würden meine Studienkolleg*innen sagen, welche meiner Stärken mir gut durch diese Zeit helfen könnte? Auf welche Ressourcen kann ich im Moment zurückgreifen, um psychisch stabil und erfolgreich durch das laufende Sommersemester zu kommen“

 

Wie gehe ich in der Isolation mit Nähe und Distanz um?

In welcher Situation finden Sie sich derzeit wieder? Leben Sie allein, in einer Wohngemeinschaft, zu zweit mit Partner*in? Egal ob man alleine oder mit anderen Personen zusammenlebt, es ist sinnvoll, die Sozialkontakte zu regulieren. Verbringt man die Tage alleine, sollte man sich Kontakte wie sonst auch einplanen, nur eben über Telefon, (Video-)Chat etc. Es kann sinnvoll sein, sich schon im Vorhinein Termine auszumachen, um „gemeinsam“ zu essen, sich zum Indoor-Sport zu „treffen“ oder um sich einfach nur von seinem Tag zu erzählen.

Auch wenn man mit anderen zusammen lebt ist es ebenfalls gut, sich Termine für bestimmte Aktivitäten zu vereinbaren. Hier erfüllen sie aber auch noch den Zweck, dass im Laufe der isolierten Tage nicht zu viele Reibungspunkte mit Mitmenschen entstehen. Sich bewusst aus dem Weg zu gehen, ist durchaus ok und sagt nichts über die Qualität der jeweiligen zwischenmenschlichen Beziehung aus. Trifft man sich nach ein paar Stunden allein beispielsweise zum gemeinsamen Kochen wieder, kann das angenehmer sein, als wenn man die gesamte Zeit miteinander auf engstem Raum ausgeharrt hat. Die Bedürfnisse sind natürlich unterschiedlich. Formulieren Sie daher die eigenen möglichst klar und erfragen Sie die von anderen.

 

Routine schaffen

Wie bereits erwähnt brauchen wir alle eine bestimmte Eingewöhnungszeit für diese Situation. Vielleicht kommt die derzeitige Entschleunigung manchen Menschen sogar ganz gelegen. Es kann angenehm sein, ein paar Tage einfach „in den Tag hinein“ zu leben, doch früher oder später ist es sinnvoll, eine gewisse Routine aufzubauen. Planen Sie am Vortag, was Sie am nächsten Tag tun möchten, planen Sie wann Sie starten und auch wann Sie Feierabend machen möchten. Stellen Sie sich einen Wecker und starten Sie mit Ihrer Morgenroutine. Es hilft, sich anzuziehen, als würde man zur Arbeit gehen, die Wohnung in einen Zustand zu bringen, in dem man sie auch sonst verlässt. Nach dieser Vorbereitung starten Sie Ihr Projekt. Versuchen Sie Ihre Ziele so gut wie möglich zu erreichen. Am Ende des Tages ziehen Sie Bilanz: Was hat funktioniert, was möchten Sie für den nächsten Tag ändern. Sie sind nicht gescheitert, wenn Sie grundsätzlich versucht haben, Routine in den Tag zu bringen und Erkenntnisse daraus gewonnen haben. Überlegen Sie sich auch ein Ausstiegsritual für den „Arbeitstag“: ein langes Bad, ein Telefonat, etc.

 

Das Lern- bzw. Schreibpensum erreichen

Wollen Sie sich eine Routine aufbauen, um die Arbeitstage mit dem Lernen bzw. dem Schreiben von Arbeiten zu füllen? Lassen Sie diese Ideen einfließen: 

  • Finden Sie Lern- bzw. Schreibeinheiten, die für Sie passen. Für viele haben sich Lerneinheiten von fünfzig Minuten, gefolgt von zehn Minuten Pause, bewährt. Nach durchschnittlich eineinhalb Stunden sinkt die Konzentration massiv, spätestens dann ist es Zeit für eine klar definierte Pause.
     
  • Machen Sie sich nicht auf die Suche nach der Lernmotivation bevor Sie anfangen, sondern beginnen Sie zuerst und lassen Sie Motivation im Laufe des Lernens/Schreibens nachkommen.
     
  • Wenn Sie sich explizit auf eine zukünftige Prüfung vorbereiten, unterteilen Sie die Lernphasen in ÜberblickAneignung und Wiederholung. Letztere stellt die anstrengendste, wichtigste und zeitintensivste Phase dar, überlegen Sie also, wann am Tag Sie sich am besten konzentrieren können.
     
  • Beim Schreiben von Seminar- oder Abschlussarbeiten hilft es, zunächst Rohtext zu produzieren. Dieser ungeschliffene Text kann später immer noch verbessert werden, doch der Fortschritt ist so leichter erkennbar, als wenn man stundenlang an einem Absatz feilt.

 

Positive Aktivitäten wirken Stress entgegen

Überlegen Sie sich, wieviel Zeit Sie in angenehme Aktivitäten investieren möchten. Regelmäßige Bewegung und soziale Kontakte (per Videotelefonie) wirken sich wissenschaftlich erwiesen äußerst positiv auf unsere Psyche aus und sollten deshalb in ausreichendem Maß in Ihren Wochenplan integriert werden. 

Yoga à ca. 4 Stunden

Gitarre spielen à ca. 3 Stunden

Videotelefonie mit Anna à ca. 2 Stunden

laufen gehen à ca. 2 Stunden

 

Gezielte Fakten helfen gegen aufkommende Ängste 

Überlegen Sie bewusst, welchen medialen Quellen Sie Ihre Aufmerksamkeit schenken möchten und wieviel Zeit Sie täglich der Informationsbeschaffung widmen möchten. Welche Zeitungen möchten Sie lesen, welche Nachrichtensendungen ansehen? Klare Fakten und seriöse Informationen geben Orientierung und Sicherheit. Planen Sie auch diese in Ihren Tagesablauf ein und vermeiden Sie ununterbrochenen Medienkonsum.

 

Sollten Sie Bedarf an psychologischer Beratung haben, wenden Sie sich per Telefon oder Email an unsere Beratungsstellen!

© Harald Kreimer und Barbara Pöcheim