Zum Inhalt springen

I. Sexuelle Funktionsstörungen

 

Körperliche und seelische Ursachen

An sexuellen Reaktionen und Funktionsabläufen sind psychische und somatische Prozesse beteiligt. Bei Störungen dieser Funktionen lassen sich meist organische und seelische Bedingungen identifizieren. Die betroffenen Personen sind dann nicht in der Lage, gewünschte sexuelle Beziehungen zu leben.

Es ist in der Regel schwierig, die jeweilige Bedeutung seelischer und körperlicher Gründe genau abzuschätzen. Meistens tragen aber psychische Faktoren einen erheblichen Anteil bei. Als Grundhaltung gilt bei vielen Betroffenen, dass sie sich selbst zu sehr unter Leistungsdruck stellen und sich äußerst kritisch selbst beobachten.
 

Arten von Störungen

In der „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“ findet man unter sexuelle Funktionsstörungen Folgendes:

  • Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
  • sexuelle Aversion
  • mangelnde sexuelle Befriedigung
  • Versagen genitaler Reaktionen
  • Orgasmusstörung
  • Ejakulatio praecox
  • nicht-organischer Vaginismus
  • nicht-organische Dyspareunie (=Schmerzen beim Geschlechtsverkehr)
  • gesteigertes sexuelles Verlangen

 

Für all diese sexuellen Probleme gibt es gut erprobte Methoden der Behandlung aus den verschiedenen Richtungen der Psychotherapie und der Psychologischen Beratung. Für ein persönliches Gespräch mit uns: Psychologische Studierendenberatung - 6x in Österreich.

 

Potenzprobleme

Darunter wird üblicherweise die Unfähigkeit zur Erektion in Situationen, in denen ein Mann sie haben möchte, verstanden.

Wenn die Erektion in anderen Situationen, z.B. bei der Masturbation, im Schlaf oder mit einem anderen Partner normal auftritt, dann liegt die Ursache sehr wahrscheinlich im Psychischen. Ansonsten sollte ein Urologe für die korrekte Diagnose aufgesucht werden.

Gelegentlich ungenügende oder ausbleibende Erektion liegt aber durchaus im Bereich des Normalen. Eine Stress- oder Angstsituation kann da als Ursache schon genügen. Tun kann Mann dagegen am ehesten nichts, nämlich warten, bis er sich wieder einigermaßen stressfrei und lustvoll fühlt. Hilfreich ist es auch, Sex als lockeres Spiel ohne Zielrichtung zu betrachten, weil damit schädlicher Leistungsdruck etwas relativiert werden kann. Es gibt Sexualität ohne Glied/Scheide-Kontakt, ja es kann ein sehr nützlicher Vorsatz sein, einige Zeit den „Beischlaf“ dezidiert auszuschließen!
 

 

Vorzeitiger oder verzögerter Samenerguss

Vorzeitiger Samenerguss (ejakulatio praecox) ist das mit Abstand häufigste sexuelle Problem bei heterosexuellen Männern und ist fast immer psychisch bedingt. Der Begriff ist etwas irreführend, weil er Samenerguss und Orgasmus gleichsetzt. Ein Orgasmus muss jedoch nicht immer von einem Samenerguss begleitet sein (z.B. vor der Pubertät oder nach einer Prostataectomie). Als störend wird dabei aber nicht der Samenerguss erlebt, sondern der zu frühe Verlust der Erektionsfähigkeit nach dem Orgasmus.

Eine relativ normale Erscheinung ist der vorzeitige Samenerguss bei jungen Männern, vor allem im Rahmen erster sexueller Erfahrungen. Viele Männer erlernen im Laufe der Zeit eine mehr oder weniger große Kontrolle über den Ejakulationsreflex. Üben kann man diese Kontrolle allein oder zu zweit:

 

Tipp!

 

  • sexuelle Stimulation kurz vor dem „point of no return“ unterbrechen
  • auf geringerem Erregungsniveau weiter fortsetzen
  • Training der Beckenmuskulatur (Muskel, der auch den Harnstrahl unterbricht)


Viel seltener ist der verzögerte Samenerguss. Auch er ist eigentlich eine Orgasmusstörung, d.h. der Orgasmus tritt nicht oder nur stark verzögert ein.
 

 

Sexuelle Unansprechbarkeit

Davon Betroffene spüren kaum oder kein sexuelles Verlangen, das bis zur sexuellen Aversion gehen kann, d.h. die Vorstellung einer sexuellen Beziehung ist mit starken negativen Gefühlen verbunden.

Diese Symptome schließen aber sexuelle Erregung oder Befriedigung nicht grundsätzlich aus. Sexuelle Handlungen werden aber sehr selten initiiert oder ganz vermieden. Diese Störung wird auch unter dem veralteten Begriff der Frigidität eingeordnet.
 

 

Orgasmusstörungen

Trotz einer Phase der sexuellen Erregung tritt hier der Orgasmus nicht oder nur stark verzögert ein. Von psychischen Ursachen kann man vor allem dann ausgehen, wenn die Orgasmusstörung nur in bestimmten Situationen auftritt.

Die Grenzen zu Variationen von (vor allem weiblicher) „normaler Sexualität“ sind aber fließend, besonders, wenn die Betroffenen ihr Liebesleben auch ohne Höhepunkt erregend und befriedigend empfinden.

Beispielsweise scheint es, zumindest in der westlichen Welt, für einen erheblichen Teil der Frauen normal zu sein, nur durch (zusätzliche) Stimulierung der Klitoris zum Orgasmus zu kommen. Oft genügt auch körperliche Stimulation allein nicht, die Stimmung muss passen - und die kann durch Schamgefühle, Stress, Beziehungsprobleme, Mehrfachbelastung, etc. stark beeinträchtigt sein.

Erkunden Sie Ihren eigenen Körper: Wer sich selbst mag und kennt, kann auch mit einem Partner eher einen Orgasmus erleben bzw. ihm zeigen und sagen, was Lust bringt. Leistungsdruck fördernde Ideale wie „vaginaler Orgasmus“ und „gemeinsamer Orgasmus“ gilt es unter diesen Aspekten in Frage zu stellen: den einzig „richtigen“ Orgasmus gibt es nicht!
 

 

Sexuelle Lustlosigkeit

Aus einer Statistik der Abteilung für Sexualforschung der Universitätsklinik Hamburg:
 

  • 1975 bis 1977: 8% der weiblichen Hilfesuchenden gaben Lustlosigkeit an
  • 1992 bis 1994: 58%!
  • Bei Männern stieg der entsprechende Anteil von 4% auf 16%


Fehlendes oder seltenes Verlangen nach Sex ist damit bei Frauen mittlerweile das häufigste sexuelle Problem. Der Leidensdruck resultiert dabei meist nicht direkt aus der Lustlosigkeit selbst: es sind die Partner, die leiden und damit Druck machen, was in der Folge auch das Selbstbewusstsein als gute/r Liebhaber/in oder richtige/r Frau/Mann ankratzt.